Chronik von Elena Jebelean
Der Kulturpalast, der dank Roxana Pătrulescu und Sandra Andrei innerhalb von Eurothalia wiederentdeckt werden konnte, sprach auf der heutigen Tour in mehreren Sprachen durch verschiedene Arten von Kunst zu uns. Ungarisch, Deutsch, Jiddisch, Rumänisch sind Sprachen, die im Laufe der Zeit auf der Bühne und im Foyer erklungen sind und die den Applaus gemeinsam haben, der das Echo der alten Mauern sowohl in der Vergangenheit als auch heute geweckt haben. Architektur, Fotografie, Skulptur, Malerei, Musik, Tanz, Theater - all dies hat uns, diejenigen, die über seine Schwelle treten, wie so oft erneut überwältigt. Denn es gibt mehr Schwellenwerte.
Über dem Eingang der Kasse der Oper und des Nationaltheaters kann man die in Stein gemeißelte Inschrift GEMEINDETHEATER lesen. Über der Bühne in der großen Halle wird auf Latein darauf hingewiesen, dass man auf die Bühne der Welt kommt, schaut und geht. Die zentrale Loge ist mit den Worten von Ovidius gekleidet – wenn man in irgendeiner Art von Kunst erfahren ist, soll man schnell das Können zeigen, andere mit seinen Gaben erfreuen und die Zeit nicht umsonst vergehen lassen. Antike Masken geben einem das Gefühl, auf Plattformschuhen zu gehen, die Besuchergruppe scheint ein antiker Chor zu sein, der bereit ist, zu sprechen. Die Pfauen stützen anmutig ihre vergoldeten Schwanzfedern, und dem Märchen von Ileana Cosânzeana auf dem „Kuppelhimmel“ des großen Saals wird ein anderes entgegengestellt, auf der Südwand des Foyers, eines mit einem Kaiser und einer Kaiserin, mit fröhlichen Höflingen, mit Sängergruppen und einem Harlekin. Alle lächeln. Manchmal ein bisschen traurig – die Wahrheit der Kunst tut manchmal auch weh.
Mit ihrem Lächeln betrachten einen die Schauspieler des Deutschen Staatstheaters Temeswar und des Ungarischen Staatstheaters „Csiky Gergely“ aus ihren Porträts. Man lächelt zurück und geht durch das Labyrinth, man erfährt von den Feuern, vom Bombenanschlag von 1938, man siehst sich auf dem Ball in der Reduta-Halle tanzen, man entdeckt viele Details über den Spielraum – die Bühnenbox, ihren Spiegel, den Harlekin mit und ohne Hose, den Hof, den Garten, den Guillotinen-Vorhang. Unzählige Jahre, Namen von Architekten, Treppen auf und ab, Blütezeiten und Kompromisse. Vom Balkon aus kann man den Opernplatz bewundern, mit den Fingern die Kugelwunde aus der Steinsäule streicheln, unter den Windungen des Kapitells unter dem blauen Septemberhimmel. Im Foyer schaut man in die Spiegel, lächelt diejenige an, die sich vor mehr als 40 Jahren zum ersten Mal in ihnen widerspiegelte und Melodien aus My Fair Lady summte. Oh, ja, man kann nicht nur in die Kulisse sehen, man darf sogar die Nase in die Kabinen, in die Probe- und die Werkstatträume stecken. Man erfährt auch, was unter den Böden und hinter den Mauern ist, warum es noch drei Stufen hinauf zum ungarischen und deutschen Theatersaal geht und was bis zu einem gewissen Punkt mit den vier Statuen der Musen passiert ist, die die Ecken des Gebäudes hätten bewachen sollen.
Man möchte gar nicht mehr gehen. Aber es gibt heute auch noch zwei Vorstellungen zu sehen, es ist ja nicht umsonst ein Festival. Die Tour ist beendet. Man hat Materialien, bibliographische Listen, Antworten auf Fragen bekommen. Von der Tür des hohen Malsaals nimmt man die abgeänderte Inschrift mit: Anfangs war es eine Frage Kommst du oder gehst du?, jetzt teilweise bedeckt, VISau pleci (TRÄUME oder geh). Und man fragt sich, wie viele Träume, wie viele Ideen hier Gestalt angenommen haben, zu Vorstellungen geworden sind und Gemüter geweckt, Seelen gezähmt haben. Und während die Tänzer, die in der Aufführung von Spuren auftreten, sich vor den Augen bewegen, summt man immer noch Oh, wie wunderbar das wäre! Wunder geschehen vor unseren Augen, wir tragen selbst dazu bei. Es wird gebaut, indem der Sumpf mit Eichenstämmen stabilisiert wird. Theater werden nach Bränden wieder aufgebaut. Diktaturen werden gestürzt. Man kommt zu Vorstellungen, die entfernte Welten in die Stadt bringen. Aber vor allem kommt man zu Vorstellungen, die von den Temeswarern gespielt werden, bei denen, viel wichtiger als die Muttersprache, in der gleichen Sprache geklatscht wird – in der Sprache der Bewunderung, der Dankbarkeit.
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„Theaterchronik @ Eurothalia“ ist ein von Daniela Șilindean gemeinsam mit dem Team des Deutschen Staatstheaters Temeswar konzipiertes Programm im Rahmen des Europäischen Theaterfestivals Eurothalia 2023, das vom 20. bis 30. September 2023 stattgefunden hat und durch das Nationale Kulturprogramm Temeswar - Kulturhauptstadt Europas 2023 gefördert wurde.