Eurothalia

20–30.09.2023 - Wir sehen uns im Herbst!

Blog

Posthuman

Chronik von Georgea-Elena Ștefan

Unheimliches Tal, von Rimini Protokoll, eine provokante Vorstellung, eine One-Man-Show, oder besser gesagt eine one-humanoid-Show, zeigt einen neuen Teil des Theaters und steht für die unendlichen Möglichkeiten seiner Anpassungsfähigkeit.

Wenn man den Raum betritt, sieht man im Halbschatten etwas, das einem Menschen ähnelt. Die Größe, die Silhouette und die Art und Weise, wie er auf dem Stuhl sitzt, erinnern an eine echte Person, aber die Stille und das Fehlen eines jeglichen Geräusches versetzt ihn in eine andere Welt. Sobald man sich hinsetzt, gehen die Lichter an und die Handlung beginnt. Wir sehen den humanoiden Roboter, und daneben sehen wir eine weiße Tafel, als würden wir einer Präsentation des nächsten innovative Produktes in diesem Jahr beiwohnen. Jetzt scheint er noch mehr einem Menschen zu ähneln. Die körperlichen Details sind überraschend, aber das ausdruckslose Gesicht und die seltsame Art, wie er sich bewegt, entfremden ihn von der menschlichen Natur. 

Der Schriftsteller Thomas Melle leidet an Bipolarität, was seinen Alltag erschwert. Wir alle, behauptet er, sind auf unsere eigene Weise instabil, „diese Krankheit ist eine Verstärkung dessen, was in uns schlummert.“ Also beschließt er, eine Roboterversion zu bauen, die ihn bei verschiedenen täglichen Aktivitäten ersetzen soll. Ein Android, dem beigebracht wird, bei jedem Auftritt die gleichen Dinge zu sagen, perfekt zu sein und keine Fehler zu machen. 

Wir stellen uns eine fast utopische Welt vor, in der Menschen sogar durch Humanoide ersetzt werden könnten, in der Sozialisation und Interaktionen, die uns so geläufig sind, nicht existieren würden. Es entsteht eine Art automatisiertes Theater, in dem der Roboter so programmiert ist, dass er jedes Mal einwandfrei die gleichen Dinge sagt. Der Charme des Theaters geht verloren, all die perfekten Unvollkommenheiten und emotionalen Bindungen, die es den Menschen nahebringt, verschwinden. Es bleibt nur etwas Seltsames und Fremdes. Die Aufführung drängt uns daher, über die Wahrhaftigkeit der Welt nachzudenken, in der wir leben, und uns die Frage zu stellen, ob das, was wir sehen, Realität ist oder nur eine Verzerrung der Informationen, mit denen wir interagieren. 

---

„Ph[r]ases“- Kreative Formeln ist ein von Diana Katharina und Daniela Șilindean gemeinsam mit dem Team des Deutschen Staatstheaters Temeswar konzipiertes Programm, das der Theaterchronik im Rahmen des Europäischen Theaterfestivals Eurothalia 2023 gewidmet ist, das vom 20. bis 30. September 2023 stattgefunden hat und durch das Nationale Kulturprogramm Temeswar - Kulturhauptstadt Europas 2023 gefördert wurde.