Chronik von Carmen Tărniceru
Die Republik Baklava ist der Traum eines jeden Menschen, einer Gesellschaft zu entkommen, die in Regeln, Gesetzen, Strafen und vor allem einem grausamen Mangel an Empathie gefangen ist. Nur wenige wissen jedoch, dass im Mai 1968 ein solcher Staat für unabhängig erklärt wurde, Insulo de la Rozoj (Insel der Rosen) genannt, mit 3 ständigen Einwohnern, eine künstlich in der Adria gebaute Insel von 400 Quadratmetern, ein Ideal der Freiheit, das 10 Monate später mit zwei Tonnen Sprengstoff zerstört wurde.
Auf eine ähnliche Art und Weise, was die Motive und die Umsetzung anbelangten, wollen die Gestalten im Stück ihre eigene Welt schaffen, in der niemand nach Ethnie, Name, Religion beurteilt wird, in der die Griechen und die Türken keine blutige Geschichte teilen. Es ist eine Utopie, die brutal ausgerottet wird und Traumata hinterlässt, die so tief sind wie jede große historische Episode. Ein Traum, der sich in ein Trugbild mit katastrophalem Ende verwandelt. In dieser „fröhlichen“ Note endet der Abend einer Wochenmitte.
Eine Vorstellung, die allerdings meist fröhlich ist, mit einer Mischung aus Pathetik und Ekstase, die in der Balkanszene so beliebt ist, mit extrem vielen Elementen und Ideen, die sich in zwei langen Stunden angesammelt haben. Übergänge von burlesken Situationen zu individuellen und rhythmischen Gruppentänzen, von Englisch zu Türkisch und Griechisch, Live-Musik, Live-Hintergrundgesang, Flugzeuge, Bomben, tiefe Reflexionen, Politik, Baklava-Rezepte, ein Zeitlupenvideo in Einklang mit dem Leben auf der Insel, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, Flüchtlinge, Gewerkschaften, Unruhen, eine Entwicklung, die der „Farm der Tiere“ würdig ist, viel gute Laune und Applaus im Saal. Ich kam verwirrt heraus, hatte gelacht und geweint und plötzlich einen Heißhunger auf orientalischen Kuchen.
---
„Theaterchronik @ Eurothalia“ ist ein von Daniela Șilindean gemeinsam mit dem Team des Deutschen Staatstheaters Temeswar konzipiertes Programm im Rahmen des Europäischen Theaterfestivals Eurothalia 2023, das vom 20. bis 30. September 2023 stattgefunden hat und durch das Nationale Kulturprogramm Temeswar - Kulturhauptstadt Europas 2023 gefördert wurde.