Eurothalia

20–30.09.2023 - Wir sehen uns im Herbst!

Blog

Byzanz, Bilanz, Baklalife

Chronik von Raoul Horn

Ist die Republik Baklava eine Alternative zu Eden?

Vielleicht schon, vielleicht nicht, aber lassen Sie uns nicht überinterpretieren. Diese Republik besteht hauptsächlich aus aufgerollten Ärmeln, die tief in Mehl und Nusspulver stecken. Wie? In Eden wurde gearbeitet? Nein. Deshalb ist die Republik eine menschlichere Version von Eden. Eines ist ähnlich – in beiden wird keine Steuer gezahlt ... fast gar nicht. Aber die Republik ist auch eine Hölle – für Diabetiker. 

Welche war die Idee der Gründung?

Nun, Liebe. Das klingt zuckerhaltig, wie die zusammengeklebten Teigblätter, aber genau da hat es angefangen. Fatih und Sophia, ein Türke und eine Griechin, wollten, dass ihr Sohn Meze frei und unberührt von den kulturellen Fehlfunktionen der beiden Länder aufwuchs, aus denen sie stammten. Eine Art Mittelerde. Deshalb pachten sie bis zu ihrem Tod eine Insel und verwandelten sie in ein Patisserie-Lager mit byzantinischem Akzent. 

Und hatten die Türken und Griechen nichts zu meckern? 

Doch, natürlich. Was wäre die Welt ohne Kriege? Keine Welt, wir würden sie nicht erkennen. Deshalb verhängten Fatih und Sophia eine drastischere – Ufer – Zollkontrolle. Das heißt, der Neuankömmling wurde nebst einem Verhör auch mit Mehl getauft. Verstehen Sie mich nicht falsch, das sagten sie selbst - jeder kann ruhig in seiner Ecke der Insel beten. Es war also Freiheit, keine Diktatur. 

Ist die Republik Baklava ein Vorbild?

Die Tatsache, dass sie ihre Unabhängigkeit aus der griechischen Revolution von 1821 ableiteten, macht sie trotzdem nicht zu einer hochwertigen ideologischen Konstruktion. Länder entstehen und verschwinden. Keines ist ein Vorbild. Genauso ist es mit den Menschen. Griechen, Türken, Marokkaner, Nigerianer, Syrer und viele andere bauten sich eine gemütliche baklavanische Unterkunft auf der Insel. Ich denke jetzt an das Byzantinische Reich, zu einer Zeit war seine Größe so groß wie Siebenbürgen, aber es war immer noch ein Reich. Was die Baklava-Republik betrifft, so wird nirgendwo spezifiziert, ob ein Reich oder ein Modell, dem man folgen sollte, gewünscht wurde oder nicht, nicht einmal in ihrer Verfassung. Normalerweise bleiben die Dinge, die aus Liebe entstehen, sie tun gut, aber wenn man ihnen plötzlich Macht hinzufügt, ist es aus mit der Güte. Man wartet ab, um zu sehen, wie die Ruinen aussehen. Aber bis dahin schwenkt unsere Flagge mit den Zutaten aus dem Ofen.

Die Vorstellung?

Überraschend, lebhaft, mit Rhythmus. Es beinhaltet auch diese bombastische Komödie, die wir alle aus dem Balkan haben. Wie Metternich sagte, nach Wien beginnt der Balkan. Pulverfässer, alte Grenzen verwischt, neue Grenzen gezogen, unzufriedene Nachbarn, Eurocrem (oder Dinarcrem, politisch korrekter). Vor Kurzem hat man auch den Auslöser für den Inhalt der Vorstellung erfahren: ein Post auf Facebook. Die Länder entstehen aus Posts. Genauso wie die Vorstellungen. Hast du keine Posts, hast du weder Theater noch Land. Baklavaless. 

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„Theaterchronik @ Eurothalia“ ist ein von Daniela Șilindean gemeinsam mit dem Team des Deutschen Staatstheaters Temeswar konzipiertes Programm im Rahmen des Europäischen Theaterfestivals Eurothalia 2023, das vom 20. bis 30. September 2023 stattgefunden hat und durch das Nationale Kulturprogramm Temeswar - Kulturhauptstadt Europas 2023 gefördert wurde.